In den obersten Etagen der Unternehmen sind Frauen immer noch wenig oder gar nicht vertreten.
OWL/Halle (Westf.) 6. September 2016 – Es kamen 80 Vertreterinnen und Vertreter aus 31 ostwestfälischen Unternehmen zur AUGUST STORCK KG, um in einem feierlichen Rahmen ein Resümee über die einjährige Zusammenarbeit von 26 Tandems im CrossMentoring OWL zu ziehen. Das Programm stellt heute ein bewährtes und begehrtes Personalentwicklungsinstrument für die teilnehmenden Unternehmen und deren weiblichen Führungsnachwuchs dar. Auch die Mentorinnen und die begleitenden Unternehmensvertreter profitieren von dem Austausch und den Impulsen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus entstehen. Das CrossMentoring Programm für karriereorientierte Frauen ist 2006 vom Landesministerium initiiert und bis 2014 von diesem gefördert worden. Es ist eine nachhaltige Wirkung erzeugt worden. Seit 2014 wird die Durchführung allein aus den Beiträgen der Unternehmen finanziert. Wieder war die abschließende Bilanz positiv. Der nächste Jahrgang startet am 20. September 2016 mit dem Auftakt bei der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld.
Achim Westerhoff, Geschäftsführer Produktion & Technik bei der AUGUST STORCK KG, begrüßte die Gäste. Er skizzierte die beeindruckende Firmenentwicklung des mehr als 100jährigen Familienunternehmens. Der Blick auf die heutige Belegschaft mit über 5800 Beschäftigen weltweit zeigt, dass bei einer 60%igen Frauenquote die sechsköpfige Geschäftsleitung rein männlich ist und auf der nachfolgenden Ebene in einem Team von 28 Entscheidern, vier Prokuristinnen die Geschicke des Unternehmens mitbestimmen. Zwei dieser Frauen sind am Standort Halle als Mentorinnen im CrossMentoring OWL aktiv. Herr Westerhoff zeigte eine Vielzahl von Maßnahmen, Modellen und Angeboten auf, die bei Storck die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützen. Nicht selten seien in diesem traditionsreichen Unternehmen beide Ehepartner beschäftigt, was die Vereinbarkeitsmöglichkeiten zusätzlich attraktiv machen würde.
So ist es auch bei der Festrednerin Silvia Gutzler. Die extra zum heutigen Anlass aus Berlin angereiste Marketing Managerin für merci im Internationalen Marketing ist zweifache Mutter, ihr Ehepartner arbeitet ebenfalls bei Storck in Berlin. Die Möglichkeit von Eltern- und Teilzeit für ihren Mann habe ihr die Vereinbarkeit der Karriere bei Storck und der eigenen Familie ermöglicht, so die Managerin. Gutzler berichtete in einem überzeugenden Vortrag von ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung, bei der sie immer Spaß und Begeisterung hätte leben können und bei der sie stets neue Herausforderungen angenommen habe – unter anderem auch einige Berufsjahre im Ausland. „Bestätigung, Verständnis und Vertrauen sind die wichtigsten Aspekte, die mich motiviert haben weiter zu machen und noch eine Schippe draufzulegen,“ so Gutzler zur Rolle ihrer Vorgesetzten.
Zwei Tandems und zwei Unternehmensvertreter berichteten in einer von Vera Wiehe, WEGE Bielefeld, moderierten Gesprächsrunde über ihre Erfahrungen und Erfolge aus dem CrossMentoring. Miriam Amedick-Kulla, Direktorin Logistik bei Storck stand ein Jahr lang Stefanie Bühner, Logistikleiterin bei der EFB-Elektronik GmbH als Mentorin beratend zur Seite – in einer Zeit, in der sich die 31-jährige neu in der Position habe behaupten müssen. Es sei hilfreich gewesen, dass sie beide im gleichen Berufsfeld tätig sind. „Nicht wegen der Fachlichkeit, sondern weil meine Mentorin meine Führungssituation nachvollziehen konnte“, so Bühner. Die Chemie habe von Anfang an gestimmt und die Basis für einen intensiven, vertrauensvollen Austausch geliefert. Gleiches bestätigt das Tandem Anja Rohde, Geschäftsführerin der Spectrum 2 HRM GmbH & Co. KG und Julia Quest, Personalreferentin bei der MöllerGroup GmbH. „Hierarchie ist ein no-go im Mentoring. Es muss ein partnerschaftlicher Austausch auf Augenhöhe sein“, so Anja Rohde. Das Matching hat beide Mentees überzeugt und dafür bekommt die Organisatorin des CrossMentoring OWL, Barbara Tigges-Mettenmeier, ein ausdrückliches Lob. Ihr gelinge es immer wieder, die richtigen Tandempartnerinnen zusammen zu bringen und ein interessantes Rahmenprogramm zu gestalten.
Netzwerkkontakte seien für die Karriere wichtig. Das wurde von verschiedenen Rednern und Gesprächspartnern herausgestellt und betont. Die Mentorinnen als auch die Mentees stellten diesen besonderen Gewinn heraus.
Class Radtke, Weidmüller Interface GmbH & Co. KG, kennt und schätzt Mentoring. Er habe eigene Erfahrung bei seiner Tätigkeit in internationalen Konzernen dazu gemacht. Von der Teilnahme am CrossMentoring OWL habe seine Mitarbeiterin profitiert. Bei Weidmüller insgesamt sei zu diesem Instrument noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Für Arnold C. Stande, Partner bei der HLB Dr. Stückmann und Partner mbH ist das Programm ein geeignetes Instrument, weibliche Potenzialträgerinnen aus dem eigenen Haus zu fördern. HLB habe schon seit vielen Jahren mehr weibliche als männliche Einsteiger. Es gäbe jedoch nur drei Frauen unter den insgesamt 18 Partnern. Damit zeige sich hier das gleiche Phänomen wie in anderen Unternehmen in OWL, so Tigges-Mettenmeier. „Im mittleren Management waren die Frauen 2015 mit einem Anteil von 25,2 % angekommen. Im Topmanagement sind sie mit einem Anteil von 10,3 % vertreten und in den großen Unternehmen in OWL sogar nur mit 5,4 %. In beiden Bereichen liegen diese Zahlen unter dem Bundesdurchschnitt.“ Sie zitiert dieses aus der Studie „Frauen im Management in OstWestfalenLippe“, die im Dezember 2015 vorgestellt wurde. Da sei noch Luft nach oben, wie auch durch die heutigen Ausführungen bestätigt würde. Angedacht sei deshalb eine weitere Initiative mit Unternehmen in OWL, für die die obersten Chefs gewonnen werden sollen und bei der es darum gehe, dass mehr Frauen der Weg ins Top-Management gelinge.
Evaluierungsergebnisse zeigen positiven Effekt
Die Organisatorin und Projektleiterin des CrossMentoring OWL, Barbara Tigges-Mettenmeier, erläuterte die Erfolge und die Bilanz der Teilnehmenden. Ein Großteil der jungen Frauen hätten in den vergangenen zwölf Monaten formale Karriereschritte gemacht bzw. seien ihnen verantwortungsvollere Aufgaben übertragen worden. Die Begleitforschung belege, dass Effekte aus dem Mentoring-Programm insbesondere in den folgenden zwei bis drei Jahren wirken.
Tigges-Mettenmeier fasste das Mentoringjahr zusammen und bedankte sich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für das hohe Engagement. Neben regelmäßigen Treffen, sieben Gruppenveranstaltungen sowie einem Workshop mit Unternehmensvertretern habe es auch Gesprächsrunden mit dem Vorgesetzten gegeben. Die Veranstaltungen fanden jeweils in teilnehmenden Unternehmen statt.
Einen genussvollen und durchaus nachdenklichen Abschluss setzte ein Poetry Slam von Sarah Lau, die in gekonnter Weise die selbst gedichteten Zeilen zum Befinden junger Karrierefrauen vortrug.
An der feierlichen Veranstaltung haben neben den Mentorinnen und Mentees Vertreterinnen und Vertreter der teilnehmenden Unternehmen, wirtschaftsnaher Organisationen, Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ehemaligen Jahrgänge des PePon-Mentoring und des CM NRW sowie Förderer und interessierte Personen teilgenommen.